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Auf dieser Seite findet sich ein Abstract meines Habilitationsprojekts, das ich derzeit am Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften der Freien Universität Berlin zur Qualifizierung für eine Professur – in meinem Fall intendiert für die Bereiche der Kulturwissenschaften und/oder Game Studies – erarbeite.

META-STRAND: Death Stranding erkunden und Wissensdiskurse neu denken

Screemshot. Death Stranding. Developed by Kojima Productions. Published by Sony Interactive Entertainment. Artwork by Yoji Shinkawa.

Stelle dir einen Wissenschaftler vor, der sich von den vertrauten Wäldern der Philologie in unerforschte digitale Weiten begibt.Auf meiner eigenen Expedition in unerforschte Gefilde untersucht mein Projekt META-STRAND das Mainstream-Videospiel Death Stranding mittels einer fragmentierten, lebendigen kulturellen Kritik. Nach langjährigem Studium arabischer Texte fließt eine anhaltende Faszination mit Wassermetaphern und Meereslandschaften in dieses digitale Territorium von Death Stranding mit seinen Stränden, seiner Isolation, seinen liminalen Zuständen und seiner Metaphysik von Leben und Tod. Ich möchte mich diesem interaktiven Kulturprodukt widmen, um meiner wachsenden Neugier an interdisziplinären Studien nachzugehen, die über meine Ausbildung in der Arabistik und die sich daraus ergebenden Pfade hinausgehen. Das Unterrichten in den Interdisciplinary Studies of the Middle East (ISME) an der Freien Universität Berlin hat mich dazu gebracht, meine Füße in die Gewässer von Perspektiven wie Environmental Humanities, Emotionsforschung oder Meta-Wissenschaft sowie speziell Bio-Politik, Hypermaskulinität oder flexibler Staatsbürgerschaft zu tauchen. Nun möchte ich solche zeitgenössischen Ansätze, die ich über Jahre hinweg gesammelt habe, während ich mich über meinen formalen Background in der Arabistik hinaus in die Kulturwissenschaften vertiefte, mit einem neuen Medium in die Praxis umsetzen: Videogames. In diesem Prozess gibt es noch viel zu entdecken, da ich einen unkonventionellen Kurs bei der Erforschung dieses avantgardistischen Exemplars zeitgenössischer Populärkultur einschlage. Ich freue mich auf die unvorhersehbaren Einsichten, die aus dieser Erkundung neuer Forschungstiefen und -weiten auftauchen werden.

Death Stranding?

Screenshot captured by danny74 #ShotWithGeForce. Death Stranding. Developed by Kojima Productions. Published by Sony Interactive Entertainment. Artwork by Yoji Shinkawa.

Death Stranding ist ein cineastisches Videospiel, kreiert vom Gaming-Auteur Hideo Kojima.In Death Stranding findet sich der Spieler in einer postapokalyptischen Welt am Abgrund der Zerstörung wieder. Man übernimmt die Rolle des Kuriers Sam Porter Bridges, der die Aufgabe hat, eine zerrissene Menschheit wieder zu vernetzen. Die Erzählung und Spielmechanik sind eng miteinander verwoben, wobei das Spielprinzip des Transportierens als Metapher für Verbindung und zwischenmenschliche Beziehungen dient. Das Durchqueren der riesigen und gefährlichen Landschaft verlangt von den Spielern, ihre Routen minuziös zu planen, ihre Ausrüstung zu verwalten und das Gewicht ihrer Fracht sorgfältig abzuwägen. In diesem unbarmherzigen Gelände begegnen Spieler einer Vielzahl von Herausforderungen, von der Konfrontation mit geheimnisvollen spektralen Kreaturen, den sogenannte Beached Things oder BTs, bis hin zum Timefall, einem zeitmanipulierenden Regen, der den Alterungs- und Verfallsprozess alles dessen, was er berührt, beschleunigt - beides Folgen eines verheerenden Ereignisses namens Death Stranding, bei dem die Welt der Toten und der Lebenden miteinander verschmolzen.

Screemshot. Death Stranding. Developed by Kojima Productions. Published by Sony Interactive Entertainment. Artwork by Yoji Shinkawa.

Die beunruhigende Schönheit der geschwärzten Erde, zerklüfteter Landschaften und moosbewachsener Berge unterstreicht das Gefühl der Verlassenheit und des Unheils in der Welt von Death Stranding. Noch verstärkt wird dies durch die sphärischen Klangcollagen zwischen Ambient, Orchester und Chor, komponiert von Ludvig Forssell. Death Strandings narrative Gestaltung ähnelt einem interaktiven Film. Mit der Spielmechanik des Gehens, Bauens und Transportierens, der szenischen Verschmelzung realistischer und surrealer Elemente, sowie dem Verhandeln von philosophischen und humanistischen Themen wie Isolation und Mensch-Maschine-Beziehungen vereint Death Stranding auf einzigartige Weise narrative, ludische, ästhetische und inhaltliche Elemente, die geradezu danach verlangen, unter verschiedensten Blickwinkeln untersucht zu werden.

Schlüsselaspekte meines Habilitationsprojekts META-STRAND umfassen:

fragmentierte Veröffentlichung

Anstatt eines umfassenden Werks bietet das Projekt eine fragmentierte, metakritische Analyse von Death Stranding und produziert eine Reihe distinkter analytischer Stücke, genannt “Fragmente”. Zum Beispiel werden Analysen in Stücken wie "Timefall and BTs: Symbols of Ecological Distress", "Death Stranding and the Aesthetics of Ruin" oder "The Metaphor of 'Stranding' from Marine Biology to Game Narrative" veröffentlicht. Dieses Format fordert die akademische Konvention der Veröffentlichung von Werken als kohäsive, in sich abgeschlossene Ganze heraus und ermöglicht es der Analyse, sich organisch über die Zeit zu entwickeln.

lebende Veröffentlichung

Die fragmentierte Struktur durchbricht traditionelle Publikationsnormen, die eher Geschlossenheit und Linearität betonen. Anstelle eines durchgehenden Narrativs erfolgt die Veröffentlichung iterativ online - wie in einer lebendigen und wachsenden Datenbank. Dies ermöglicht eine flexible und wachsende Integration neuer Perspektiven, anstatt auf Vollständigkeit und Kohärenz beschränkt zu bleiben. Die Befreiung von diesen Konventionen gestattet eine dynamischere Entfaltung der Analyse.

multidisziplinäre und multikonzeptionelle Analysen

Jedes Fragment bietet eine eigene Perspektive durch das Zusammenspiel interdisziplinärer Theorien - von Critical Theory über Cultural Studies bis Psychologie. Theorien wie Ecocriticism, Trauma Studies oder Posthumanism werden integriert, um Aspekte wie Landschaften, Depression oder Mensch-Maschine-Beziehungen zu beleuchten. Dies ermöglicht eine breitere, multidimensionale Analyse.

zeitgenössische Perspektiven

Über die Einsichten etablierter Denker wie Foucault, Butler, Spivak und Bhabha hinaus, integriert dieses Projekt auch die innovativen Perspektiven zeitgenössischer Theoretiker. So fließt zum Beispiel die Katastrophen- und Resilienzforschung von Rebecca Solnit, Anthony Oliver-Smith und Kai Erikson in die Untersuchung von Death Stranding ein. Ebenso die Arbeit von Stuart Hall, Ien Ang und Radha Sarma Hegde zu Rezeption und affektivem Engagement für eine Analyse der emotionalen Wirkung des Spiels. Die Berücksichtigung dieser und weiterer moderner Standpunkte ermöglicht es, traditionelle und aktuelle Ansätze zusammenzuführen und so neue Interpretationswege zu eröffnen.

Dekonstruktion der Analysen

Das Projekt hinterfragt kritisch die eigenen Analysen und Interpretationen, ihre Annahmen und Voreingenommenheiten. So wird nach einem Fragment wie “The Narrative Structure of Death Stranding” eine Reflexion der gewählten Erzählmusteranalyse erfolgen. Eine solche Dekonstruktion fördert eine kontinuierliche kritische Betrachtung.

Verweise auf andere Games

Nach einer Analyse wie „Examining the Portrayal of Grief in Death Stranding“ werden Spiele wie What Remains of Edith Finch und Spiritfarer nicht zum direkten Vergleich herangezogen, sondern um verwandte Konzepte und Interpretationsansätze aufzuzeigen, die Leser weiterverfolgen können. Dies verankert die Analyse kontextuell, ohne definitive Bewertungen vorzunehmen.

didaktischer Aspekt

Das Projekt verfolgt einen didaktischen Ansatz mit dem Ziel, Lesern zu zeigen, wie Konzepte aus Kulturwissenschaften und verwandten Feldern für die Untersuchung von Games fruchtbar gemacht werden können. Exemplarisch wird etwa in einem Fragment demonstriert, wie Erzähltheorie und Game Studies zusammengeführt werden können. Die Narrativstruktur von Death Stranding wird unter Rückgriff auf Ansätze wie Narratologie, ludonarrative Harmonie und Cybertext-Theorie analysiert. Durch dieses exemplarische Vorgehen wird aufgezeigt, wie sich Kulturwissenschaften innovativ mit Game Studies verbinden lassen, um neue interpretatorische Möglichkeiten bei der Untersuchung von Games zu eröffnen, aber auch Games und Gaming als Gegenstände der Kulturwissenschaft, Anthropologie oder Soziologie zu verorten.

offene Kollaboration

Das Projekt lädt Wissenschaftler, Gamer und Leser ein, ihre Perspektiven in eine kollaborative, sich entwickelnde Publikation einzubringen. So können Mechaniken ludologisch analysiert, Rezeptionsdaten zu Spielerfahrungen beigesteuert oder bestimmte Narrativelemente kritisch diskutiert werden, auch mit Bezug zu einigen der referenzierten Games, zum Beispiel die Mensch-Maschine-Beziehungen in einem Game wie Detroit: Become Human. Dieser partizipative Beitrag verschiedenster Experten und Enthusiasten stellt die Produktion von Wissen als einen partizipativen, crowdsourcing-basierten Prozess neu vor.

Indem dieses Projekt ein renommiertes Videogame untersucht ...

um Grenzen in den Game Studies und Humanities zu verschieben, werden neue Formen kulturwissenschaftlicher Auseinandersetzung aufgezeigt. Die Arbeit hebt zudem das Potenzial partizipativer, digital unterstützter Forschungsansätze und unkonventioneller Publikationsmodelle hervor. Die interdisziplinäre Perspektive und (meta-)kritische Reflexion dienen als Vorbild für agile und entwicklungsfähige Wissenschaften im 21. Jahrhundert.

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